Sprachstörungen bei Erwachsenen
Sprachstörungen bei Kindern
Störungen der Sprache bei Kindern haben ganz unterschiedliche Ursachen, daher wird zwischen Entwicklungsstörungen und erworbenen Störungen unterschieden.
Die Entwicklungsstörungen der Sprache haben entweder eine „primäre“ Verursachung, d.h. die Kinder haben eine Störung, die nur auf sprachlicher Ebene zu finden ist. Es lassen sich keine anderen Störungen finden, die sie verursacht hätten. Man spricht hier auch von einer „spezifischen Sprachentwicklungsstörung“. Des weiteren gibt es „sekundär“ verursachte Entwicklungsstörungen der Sprache. Dies bedeutet, dass eine Sprachentwicklungsstörung entstehen kann, wenn z.B. das Hören des Kindes beeinträchtigt ist oder wenn körperliche oder geistige Behinderungen den Spracherwerb erschweren.
Zu den erworbenen Störungen der Sprache gehört die „kindliche Aphasie“, die durch Schädel-Hirntrauma (z.B. bei Unfällen), Hirntumore oder entzündliche Erkrankungen (z.B. Meningitis) verursacht werden kann.
Welche Sprachentwicklungsstörungen gibt es?
Störungen beim Erwerb der Laute
Störungen beim Erwerb der Laute können die Anzahl der Laute und die Regel ihrer Kombination zu Wörtern betreffen. Wenn das Kind zum Beispiel den Laut /g/ noch nicht erworben hat und ihn immer durch /d/ ersetzt, äußert sich dies darin, dass es anstelle von „Giraffe“ „Diraffe“ sagt.
Störungen beim Erwerb der Regeln zur Kombination von Lauten können darin zum Ausdruck kommen, dass das Kind zum Beispiel den Laut /r/ erworben hat, aber noch nicht weiß, dass /r/ im Anlaut auch in Kombination mit /b/ auftritt. Es sagt also anstelle von „Brille“ „Bille“. Solche Störungen werden in der Logopädie „phonologische Störungen“ genannt.
Störungen beim Aufbau des Wortschatzes
Störungen beim Aufbau des Wortschatzes können sowohl den Wortschatzumfang als auch die Merkmale der einzelnen Wörter betreffen. Die Einschränkung des Wortschatzumfanges ist beispielsweise daran erkennbar, dass dem Kind zur Kommunikation notwendige Wörter wie Nomen (z.B. Hund, Auto), Verben (z. B. laufen, essen) oder Adjektive/Adverbien (z.B. schön, groß) fehlen und es häufig auf unspezifische Wörter wie „Dings“, „machen“ oder „so“ zurückgreift. Oft haben die Kinder auch Probleme, Wörter in einen Zusammenhang zu bringen (z.B. Hund und Katze dem Begriff „Tier“ zuzuordnen oder Augen, Mund und Nase dem Begriff „Gesicht“). Solche Störungen werden in der Logopädie auch „lexikalische Störungen“ genannt.
Störungen der Grammatik
Störungen der Grammatik können Wörter und Sätze betreffen. Beispielsweise wenn Endungen an Wörtern fehlen oder nicht korrekt sind. Die Kinder lassen zum Beispiel beim Partizip die Vorsilbe „ge-“ weg („Ich habe spielt.“) oder beugen Verben nicht richtig („Du gehen …“). Wenn Kinder Probleme haben, korrekte Sätze zu bilden, kann sich dies in Auslassungen oder Umstellungen zeigen („Mama lange Haare hat“). Solche Störungen werden in der Logopädie auch morphologisch-syntaktische Störungen genannt.
Pragmatische Störungen
Pragmatische Störungen betreffen die Fähigkeiten des Kindes, in Kontakt zu seiner Umwelt zu treten. Damit ist beispielsweise gemeint, dass ein Kind den Erwachsenen anschaut, wenn es mit ihm spricht oder versucht, Fragen, die an es gestellt werden, zu beantworten. Kinder, die in diesem Bereich Probleme haben, vermeiden unter Umständen den Kontakt zu anderen oder unterbrechen fortlaufend Gespräche und haben Probleme, Regeln – beispielsweise im Spiel – einzuhalten.
Weitere Informationen zu Sprachentwicklungsstörungen finden Sie im dbl-Faltblatt „Sprachstörungen bei Kindern“.
Wie kann Sprachentwicklungsstörungen vorgebeugt werden?
Die Sprachentwicklung ist durch typische Merkmale gekennzeichnet, die sich von der Geburt an aufzeigen lassen. Das bedeutet: für jede Phase der kindlichen Sprachentwicklung lassen sich die Fähigkeiten des Erwerbs der Laute, der Wörter und der Grammatik sowie der Pragmatik aufzeigen. Wann ein Kind in der Regel welche Fähigkeiten erworben hat, können Sie in unserem Faltblatt „Wie spricht mein Kind?“ nachlesen.
Welche Hilfen bietet die Logopädie an?
Die Logopädie bietet zunächst einmal Beratung zu allen Fragen der kindlichen Sprachentwicklung und den möglichen Störungen an, denn nicht jede Auffälligkeit ist bereits ein Zeichen für eine behandlungsbedürftige Sprachentwicklungsstörung. Aufgabe der Logopäden ist es, die von Eltern beobachteten „Auffälligkeiten“ einer Entwicklungsphase zuzuordnen und festzustellen, ob das Kind tatsächlich verzögert ist und welche Maßnahmen ggf. zu treffen sind. Unter Umständen kann eine umfangreiche Beratung der Eltern hinsichtlich sprachfördernder Verhaltensweisen (Prävention) ausreichend sein. Sollte ein Hinweis auf eine Verzögerung bestehen, klärt die Logopädin ab, ob sich der Verdacht tatsächlich bestätigt. Voraussetzung für eine logopädische Diagnostik ist dabei, dass sichergestellt ist, dass das Kind keine Hörstörung hat. Deshalb sollte vorab eine entsprechende Untersuchung (Audiogramm) durchgeführt werden. Die Logopädin untersucht das Kind dann mit Hilfe gezielter Prüf- und Testverfahren, die für die unterschiedlichen Entwicklungsbereiche entwickelt worden sind.
Wesentlicher Teil der logopädischen Diagnostik ist die Anamnese. Hier werden Fragen zum Beispiel zum bisherigen Entwicklungsverlauf, zu besonderen Ereignissen im Leben des Kindes (z. B. Krankenhausaufenthalte) und zu Sozialkontakten des Kindes gestellt, um einen umfassenden Einblick in seine Lebensbedingungen zu bekommen. Dies ist auch wichtig für dielogopädische Therapie, die versucht, an den Interessen und Problemen des Kindes anzusetzen. Die Inhalte der logopädischen Therapie ergeben sich unmittelbar aus dem logopädischen Befund, der mit den Eltern vor Beginn der Therapie besprochen wird. Die Eltern erhalten kontinuierlich Einblick in den Verlauf der Therapie, das heißt sie werden über Fortschritte und Veränderungen in der Therapieplanung informiert. Teilweise besteht auch die Möglichkeit, dass sie die Therapie hinter einer Einwegscheibe mitverfolgen können. Am Ende einer Therapiephase wird ein Abschlussbefund erstellt, aus dem hervorgeht, ob die Therapie abgeschlossen ist oder aber fortgesetzt werden sollte.
Wenn Sie sich Sorgen machen, ob Ihr Kind unter Umständen sprachentwicklungsgestört ist, lassen Sie sich beraten. Je früher eine logopädische Therapie beginnt, desto besser. Moderne diagnostische Verfahren ermöglichen Logopäden oft bereits bei zweijährigen Kindern eine zuverlässige Unterscheidung zwischen „Spätentwicklern“ und Kindern, bei denen eine behandlungsbedürftige Störung vorliegt.
Erworbene Sprachstörungen bei Kindern
Neben Sprachentwicklungsstörungen kann es im Kindesalter zu einer erworbenen Sprachbehinderung, einer Aphasie kommen. Schädel-Hirntrauma, Schlaganfälle, Hirntumore und entzündliche Erkrankungen können die Ursache dafür sein. Dabei sind Sprachfähigkeiten betroffen, die bereits erworben waren. Deshalb spricht man beim Kind erst ab einem Alter von 1,5 bis 2 Jahren von einer Aphasie, wenn die Sprachentwicklung auf Wortebene bereits begonnen hat.
Aphasie, eine erworbene Sprachstörung
Ebenso wie bei Erwachsenen wirkt sich die Aphasie bei Kindern auf die unterschiedlichen sprachlichen Ebenen (Lautbildung, Wortbedeutung, Satzbau) und auf die verschiedenen Sprachverarbeitungskanäle (Sprechen, Sprache verstehen, Schreiben und Lesen) aus.
Kinder mit Aphasie zeigen direkt nach der Hirnschädigung häufig eine Zeit des völligen Schweigens, einen sogenannten initialen Mutismus. Im Anschluss an diese Phase kennzeichnen sich die meisten Kinder mit Aphasie durch eine Reduktion der Spontansprache. Früher ging man davon aus, dass bei Kindern im Unterschied zu Erwachsenen keine Beeinträchtigungen im Sprachverständnis vorkommen. Mittlerweile wurde nachgewiesen, dass bei Kindern genau die gleichen vielfältigen Symptome auftreten können wie bei Erwachsenen.
Aphasien im Kindes- und Jugendalter treten selten isoliert auf. Oftmals kommen Begleiterscheinungen wie Halbseitenlähmungen, Dysarthrien (Sprechstörungen), Aufmerksamkeitsdefizite, Konzentrationsbeeinträchtigungen und verminderte Gedächtnisleistungen hinzu. Auch zeigt sich häufig, dass aphasische Kinder durch Verhaltensauffälligkeiten auffallen. In Studien konnte gezeigt werden, dass diese zurück gehen, wenn den Kindern alternative Sprachsysteme zur Verfügung gestellt werden.
Welche Hilfen bietet die Logopädie an?
Logopädie bei Kindern mit Aphasie leistet ebenso wir für Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen vielfältige Hilfen auf unterschiedlichen Ebenen. Hinzu kommt die Besonderheit der logopädischen Therapie bei Kindern mit Aphasie, da neben der Unterstützung der weiteren (sprachlichen) Entwicklung auch der Wiedererwerb der verlorenen sprachlichen Fähigkeiten berücksichtigt werden muss. Hierzu werden bei der Diagnostik und in der Therapie Bausteine aus der Sprachentwicklungsdiagnostik und -therapie für Kinder, sowie aus der Aphasiediagnostik und -therapie bei Erwachsenen verwendet. Ziel ist es, sowohl die weitere Entwicklung voran zu treiben als auch verlorene sprachliche Fähigkeiten wiederherzustellen.
Der Bundesverband für die Rehabilitation der Aphasiker (BRA) hat ein spezielles Projekt zur Unterstützung von Kindern ins Leben gerufen, die an einer Aphasie leiden. Näheres dazu finden Sie unter:
Sprachstörungen bei Erwachsenen
Wenn die Sprache von Erwachsenen gestört ist, liegt eine Störung im Bereich des Sprachzentrums (i.d.R. im linken Teil) des Gehirns vor. Ursachen hierfür können ein Schlaganfall, eine Hirnblutung, unfallbedingte Hirnverletzungen, Hirntumore, entzündliche Erkrankungen des Gehirns und auch Hirnabbauprozesse sein. Diese Form der Sprachstörung wird Aphasie genannt. Eine Aphasie wirkt sich auf die unterschiedlichen sprachlichen Ebenen (Lautbildung, Wortbedeutung, Satzbau) aus und führt zu einer Beeinträchtigung des Sprechens, des Sprachverständnissessowie des Lesens und Schreibens, was gleichzeitig Ausdruck einer Störung der Sprachverarbeitung ist.
Welche Sprachstörungen gibt es?
Störungen auf der Lautebene
Störungen auf der Lautebene, die in einem Wort auftreten, werden als „Phonematische Paraphasien“ bezeichnet.
Dabei können einzelne oder mehrere Laute ausgelassen (tuhl statt Stuhl) hinzugefügt (Stuhul statt Stuhl) oder vertauscht (Stuk statt Stuhl) werden . Die Veränderung kann soweit gehen, dass das Wort vom Kommunikationspartner nicht mehr verstanden werden kann.
Störungen des Wortschatzes
Störungen des Wortschatzes können als sogenannte „Semantische Paraphasien“ auftreten. Der Betroffene möchte beispielsweise sagen: „Ich esse gerne Suppe.“ Statt des Wortes Suppe benutzt er das Wort „Kuchen“ oder ein beliebig anderes Wort. Häufig werden solche Fehler vom Aphasiker selbst gar nicht bemerkt. Relativ häufig treten auch Wortfindungsstörungen auf. Das gesuchte Wort liegt auf der Zunge, aber es will nicht herauskommen. Ein Phänomen, das die meisten Sprachgesunden gelegentlich auch haben. Bei einem Aphasiker kann dies jedoch in fast jedem Satz vorkommen. Manche Aphasiker können im Extremfall nur noch einzelne Silben oder Floskeln produzieren.
Störungen der Grammatik
Störungen der Grammatik treten entweder als starke Vereinfachung der Wortformen auf ) oder als Probleme des Satzbaus.
Bei Problemen der Bildung von Wortformen fällt es dem Aphasiker schwer z.B. ein Verb zu konjugieren, d.h. er verwendet es dann in der Grundform (Infinitiv): „Du fahren“.
Probleme des Satzbaus zeigen sich entweder in einer starken Vereinfachung von Sätzen („Schlecht geworden“; „Krankenhaus gefahren“) oder in der Neigung zur Verschachtelung von Sätzen und Wiederholung einzelner Satzteile.
So können Sätze entstehen wie: „Das Problem ja das Problem das meine eigene Kraft also mir reicht das nicht das ist groß oder auch nicht.“
Weitere Informationen enthält unser Faltblatt „Sprachstörungen bei Erwachsenen/Aphasien“.
Sprachverarbeitung
Die Störungen der sprachlichen Ebenen wirken sich meist nicht nur auf das hörbare Sprechen aus. Häufig sind in gleichem Maß das Schreiben und Lesen, aber auch das Verstehen von Sprache betroffen, d.h. die Sprachverarbeitung ist gestört. So kommt es immer wieder zu Missverständnissen zwischen einm Aphasiker und seinen Gesprächspartnern.
Welche Hilfen bietet die Logopädie an?
Logopädische Therapie bei Sprach- und Sprechstörungen nach Hirnschädigungen umfasst nach einer genauen Diagnostik zunächst die Behandlung der sprachlichen Defizite (Sprach- und Sprech- sowie ggf. Stimm- und Schluckstörungen). Die Intervention wird zumeist in Einzeltherapie unter Einbezug aller mit der Störung einhergehenden Auswirkungen auf die Kommunikation des Patienten durchgeführt. Die Einbeziehung realer Kommunikationssituationen („In-Vivo“) ist dabei integraler Bestandteil der Therapie, sie findet häufig in Form von Gruppentherapie statt. Selbstverständlich spielt auch die Beratung der Angehörigen in der logopädischen Therapie eine entscheidende Rolle, wobei die Angehörigen auch direkt in die Therapie einbezogen werden können.
Sollte eine lautsprachliche Kommunikation nicht mehr möglich sein, wird der Logopäde dem Patienten Angebote zur unterstützen Kommunikation machen, z.B. indem er mit ihm ein sogenanntes Kommunikationsbuch erarbeitet. Als Ergänzung zur logopädischen Therapie werden bei schweren Sprachstörungen seit einigen Jahren von Logopäden zunehmend computerunterstützte Diagnose- und Therapieverfahren eingesetzt.